Zur Entwicklung von Anzahl und Repräsentativität extrem rechter MEPs in Ausschüssen

Zur Entwicklung von Anzahl und Repräsentativität extrem rechter MEPs in Ausschüssen
Methode und Darstellung

Die Anzahl jeweils als extrem rechts eingestufter Abgeordneter (MEP) variiert je nach Definition, Forscher*in, Forschungsinteresse... Die hier aufgeführten Zahlen weichen daher auch von früheren eigenen Zählungen ab. In die vorliegende Darstellung gehen nur entweder die MEPs von eindeutig extrem rechten Fraktionen (z.B. 2007, 2019, 2022) oder die gesammelten fraktionslosen extrem rechten MEPs (z.B: 2009, 2014) ein, nicht aber beides zusammen. Ebenso nicht die auf angrenzende Fraktionen verteilten, weiteren extrem rechten MEPs. Für die Erhebung schien es


a) eindeutiger, nicht auch noch personenbezogene Prüfungen von MEPs voranzustellen, die zwar extrem rechten Parteien eines bestimmten nationalen Kontexts entstammen, im EP aber (aus Gründen?!) Teil beispielsweise einer konservativen Fraktion sind und 

b) nachvollziehbarer, die Anzahlen aus Fraktionen und aus dem Pool Fraktionsloser nicht miteinander zu vermischen.

Die Aussagekraft wird insofern nicht geschmälert, als die konkrete Anzahl erfasster MEPs in der Größe "durchschnittlicher Anteil extrem rechter MEPs in den Ausschüssen" allein aus der konkreten Grundgesamtheit der Vergleichsgröße "Anteil extrem rechter MEPs an der Gesamtanzahl MEPs" stammt.

Aus Gründen der Übersichtlichkeit ist hier nur der Durchschnitt aus der Vertretung in allen Ausschüssen aufgeführt. Bei Interesse an der gesammelten Übersicht über die Vertretung in allen Ausschüssen, gerne melden.

Zu 2014: Zum Zeitpunkt der Parlaments- und Ausschusskonstitution des EP8 waren die späteren ENF-Mitglieder noch fraktionslos und gehen hier zusammen mit anderen extrem rechten fraktionslosen MEPs in die Zählung ein. 2017 werden dann nur die ENF-Mitglieder erfasst.

Die angegebenen Jahreszahlen sind entweder Beginn oder Halbzeit einer Legislaturperiode und damit jeweils die Zeitpunkte, zu denen die Ausschüsse neu besetzt werden.

1979-1989: Die Listen der Ausschussmitglieder liegen meines Wissens nach nicht digital im Netz vor. Falls doch, danke für einen Hinweis. Sonst wird bei Gelegenheit im Archiv nachrecherchiert.

Inhaltliche Anmerkungen

Seit Konstitution der ersten extrem rechten Fraktion im EP stellt sich die Frage nach ihrer parlamentarischen Einbindung bzw. Ausgrenzung. Politisch-normativ ist sie lange, in Teilen bis heute noch, mit einem cordon sanitaire beantwortet worden. Analytisch zeigen sich aber Disparitäten.

André Osterhoff (1997: 277-280) stellte schon für die Fraktion der Europäischen Rechten 1989-1994 fest, dass deren Abgeordnete durchschnittlich genausoviele Ausschüsse besetzten wie alle anderen MEPs, nämlich 1,4 Ausschussplätze. Das hier vorgestellte, gegenteilige Verhältnis, also der Anteil extrem rechter MEPs in den Ausschüssen (hier zusammengefasst als Durchschnitt aller Ausschüsse) zum Anteil extrem rechter an der Gesamtzahl MEPs, ist näher an einer Überprüfung der in der Geschäftsordnung festgeschriebenen Respräsentativität politischer Strömungen in den Ausschüssen dran (EP-GO 1979, Artikel 37; EP-GO 2021, Artikel 209). Auch so rum besehen ergeben sich für die Vergangenheit nur leichte Abweichungen. Und selbst diese müssen mit Vorsicht gelesen werden, da aufgrund kleiner Rechengrößen durch einzelne MEPs mehr oder weniger schnell größere Ausschläge in den Anteilen entstehen können. In manchen Fällen ist es beispielsweise so, dass bei insgesamt kleiner Anzahl extrem rechter MEPs ein MEP in einem großen Ausschuss eine deutliche Unter-, in einem kleinen Ausschuss aber deutliche Überrepräsentation erzeugt.

Aussagekräftiger und auch auffällig daher eher dies: Die seit ihrem Allzeithoch 2004 kontinuierlich sinkende Anzahl von Ausschüssen, in denen die extreme Rechte gar nicht vertreten war. Seit 2019 ist sie (wieder) in allen Ausschüssen (und auch allen sogenannten Interparlamentarischen Delegationen) vertreten. Außerdem überwiegt seitdem auch die Anzahl Ausschüsse mit überdurchschnittlicher Repräsentation deutlich die mit unterdurchschnittlicher Repräsentation. Beides Ausdruck sowohl der personellen Stärke im EP als auch des Willens zu inhaltlicher Partizipation. Die Teilnahme an Ausschüssen ist nicht verpflichtend. In einem Arbeitsparlament wie dem EP kann daher die Mitarbeit in ihnen als Indiz für einen Partizipationswillen betrachtet werden.

Etwas anders zu deuten das Jahr 2004: Der durchschnittliche Anteil extrem rechter MEPs in den Ausschüssen lag nur geringfügig unter ihrem Anteil am Gesamt-EP. In 12 Ausschüssen waren sie zudem sogar überdurchschnittlich repräsentiert (nicht nur aber unter anderem wegen des eben beschriebenen bias). Von den restlichen 10 Ausschüssen waren sie allerdings in neun gar nicht vertreten, was vor allem Ausdruck ihrer insgesamt schwachen Vertretung im EP aufgrund schlechter Wahlergebnisse ist. Der hier angeführte geringe Anteil extrem rechter MEPs an der Gesamtzahl MEPs wiederum ist nicht aussagekräftig, weil hier nur die fraktionslosen, nicht aber die mit vielen anderen, nicht extrem rechten Parteien in einer Fraktion organisierten Lega Nord, United Kingdom Independence Party, Laikós Orthódoxos Synagermós oder Liga Polskich Rodzin erfasst sind (siehe ebenfalls oben beschriebenen Bias).

Quellen und Literatur

  • Osterhoff, André. 1997. Die Euro-Rechte. Zur Bedeutung des Europäischen Parlaments bei der Vernetzung der extremen Rechten. Münster.
  • Protokolle des EP der jeweiligen Sitzungen, in denen die "Ernennungen in die Ausschüsse" stattgefunden haben
  • EP-Geschäftsordnungen 1979, 2021